Initiative Reutlinger Wein - Pressestimmen
   
  Reutlinger General-Anzeiger

Weinbau - Tausend Weinstöcke hat Gerhard Henzler auf der Achalm gepflanzt. Spätburgunder hat 97 Grad Öchsle
Der Hartnäckige gewinnt die Schlacht
VON ANDREAS DÖRR

 
© GEA-FOTO: DÖRR

REUTLINGEN. Napoleons Wahlspruch könnte auch der von Gerhard Henzler sein: Die Hartnäckigen gewinnen die Schlachten. Es dauerte jedenfalls fast zehn Jahre, bis der Reutlinger Hobby-Wengerter sich mit der Bürokratie einigen und die ersten Reben auf dem 25 Ar großen Grundstück auf der Reutlinger Achalm pflanzen konnte. Das war im Mai des vergangenen Jahres und seitdem wachsen 1 000 Stöcke unter den Argusaugen der »Initiative Reutlinger Wein« auf jeweils 2,5 Quadratmetern - in luftiger Höhe, 450 Meter über dem Meeresspiegel.

Erfahrungen sammeln
Aus einem Hektar bekommt ein Winzer, der auf Qualität achtet, zwischen 70 und 90 Hektoliter Wein. Henzler darf also, wenn die Stöcke in ein, zwei Jahren in vollem Saft stehen, mit bis zu 2 500 Litern rechnen. Etwa zwei, maximal zweieinhalb Liter sollen die einzelnen Stöcke bringen. »Wir müssen aber erstmal Erfahrungen sammeln«, sagt Nikolaus Merkt von der Uni Hohenheim. Der 49-Jährige ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter dem Fachgebiet Weinbau zugeordnet, und in dieser Funktion steht er Henzler und den Mitgliedern der Initiative zur Seite.

Bestockt wurde die Fläche mit Schwarzriesling, Spätburgunder, Müller-Thurgau, den findige Marketing-Strategen Rivaner nennen, und Chardonnay. Auch Portugieser hat der 58-jährige Henzler gepflanzt. Diese Rebsorte liefert bei hohen Erträgen und früher Reife einen leichten, milden Wein. Fällt die Ernte gering aus, bringt die Traube einen fruchtigen, gehaltvollen Wein hervor, der jung getrunken werden kann.

Prächtig entwickelt
Bei Weinzähnen hoch im Kurs steht der Spätburgunder, wahrlich keine unkomplizierte Rebe. Henzlers Spätburgunder bringt heuer 97 Grad Öchsle auf die Waage, ein mehr als passabler Wert, auch wenn dieser relativiert werden muss. »Es handelt sich dabei um den so genannten Jungfernertrag«, sagt Merkt, der trotzdem langfristig mit erstklassigen Mostgewichten rechnet. »Schauen Sie sich den Hang an. Da knallt die Sonne rein.«

Mit einem »Qualitätswein mit Prädikat« (Q.b.A), beispielsweise einer satten Spätlese, darf Henzler in den kommenden Jahren also allemal rechnen. Und die bisherige Entwicklung im Weinberg dürfte Henzler Recht geben. Die zarten Pflänzchen haben sich im vergangenen Jahr auch in der Hitze des späten Frühlings und Frühsommers dank sorgfältiger Pflege und ständiger Bewässerung prächtig entwickelt.

Darüber freuen sich auch die 25 »Leasing-Nehmer«, die sich für einen »Rebenkauf auf Zeit« entschlossen haben. Mindestens fünf Stöcke hat jeder von ihnen auf Leasing-Basis für 350 Euro erworben, wobei jeder Leasing-Nehmer über die zu erwartende Ernte seiner Rebstöcke selbst verfügen kann. »Wo wir künftig die Weine keltern, steht allerdings noch nicht fest«, sagt Henzler.

400 Arbeitsstunden im Jahr
Die Arbeit im Weinberg teilen sich die Mitglieder der Initiative. Etwa 400 Arbeitsstunden sind pro Jahr nötig, um Stöcke, Boden und Reben zu pflegen. »Allein 40 bis 50 Prozent entfallen auf die Lese«, sagt Merkt, der eine Begrünung des Weinbergs aus Gründen der Bodenverbesserung in frühestens zwei Jahren ins Auge fasst.

Schon heute wird der schwere, sandige Lehm durch »weinbauliche Maßnahmen« verbessert. Jedenfalls rechnen Henzler und Merkt ab 2006 mit dem ersten normalen Ertrag, der angesichts der schon heute erreichten Qualität zu Optimismus berechtigt. »Wir wollen die Weine aller Voraussicht nach sortenrein ausbauen«, sagt Henzler, der sich auch eine Cuvée vorstellen könnte.

Gerhard Henzler müsste jedenfalls rundum zufrieden sein mit dem, was in den letzten Wochen und Monaten in seinem Weinberg gewachsen ist. Wenn es da nicht eine kleine Einschränkung gebe: Henzler schwört auf »Lemberger«, eine Traube, die er zu gern in seinem Wengert hätte. Mit Engelszungen hat er auf Nikolaus Merkt eingeredet, ohne dass er den Fachmann hätte umstimmen können. »Die Lemberger-Traube ist anspruchsvoll«, sagt Merkt, der sich nicht sicher ist, ob Boden und Lage an der Achalm für diese Sorte taugen. Wer aber die deutsche Bürokratie in die Knie gezwungen hat, dem ist vor weiteren Diskussionen mit einem Fachmann nicht bang. (GEA)

   
 

   
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