Initiative Reutlinger Wein - Pressestimmen
   
  Reutlinger Tagblatt :: 24.04.2006

WEINBAU / Henzlers liefern den Paten ihren ersten "richtigen" Rebensaft

Ein Schillerwein mit List im Kopf

Fünf Weinsorten zusammen in ein großes Fass - am Ende ruht der Schillerwein "Reutlinger Sommerhalde" in der Flasche. Nach dreieinhalb Jahren professioneller Vorbereitung am Hang präsentierte Gerhard Henzler am Wochenende einen ganz besonderen Tropfen.
VON JÜRGEN HERDIN

REUTLINGEN Vor der unscheinbaren Doppelgarage in der Krämerstraße klingen die Gläser, machen Häppchen die Runde. Passanten wundern sich über die Privat-Fete am späten Freitagnachmittag mitten in der Stadt - und gehen weiter. Nach zehn Jahren des Kampfes gegen die Bürokratie durften Gerhard Henzler und seine Frau Gudrun im Jahr 2002 mit dem Weinanbau beginnen, auf einem 25 Ar großen Grundstück, gleich beim "Goldloch" unterhalb der Achalm, keine 200 Meter vom städtischen Rebenanbau entfernt.

"Wir ließen die Trauben hier oben ihre Rebstock-Jugend genießen", sagt der Fachmann Dr. Nikolaus Merkt, Weinexperte von der Universität Hohenheim, den Henzler mit ins Team genommen hatte, um eines Tages etwas ganz Besonderes ernten zu können.

Gut Ding will Weile haben - und so ließ man den Reben ihre Zeit. Nach dem ersten Jahr bekamen die rund 50 Weinpaten, die das Projekt unterstützen, noch Traubensaft kredenzt, ein Jahr später war's schon Federweißer, nun ist's ein veritabler Kabinettwein, der das Prädikat "Spätlese" nur um zwei Öchsle-Grade verpasst hat, doch immerhin wurden's stolze 83.

Ausgeschenkt wurde der Edelverschnitt aus Müller-Thurgau, Portugieser, Spätburgunder, Schwarzriesling und Chardonnay freilich noch nicht - nur die Paten durften ihr Kontingent aufkaufen. Denn die Henzlers und ihr Team im fröhlichen Weinberg haben es 2005 gerade einmal auf 180 Liter gebracht, das sind 0,2 Liter Endprodukt je Rebstock. Wenn der Wein aber erst einmal seine Pubertät hinter sich hat, sollen die Erträge geradezu explosionsartig zunehmen. "Die Lese im Herbst 2007 kann uns gut 2000 Liter Wein und mehr bringen", so Merkts Prognose. "Wir trimmen hier nicht auf Ertrag, sondern auf Wuchs und Kraft". Bis dahin heißt's abwarten. Bei der Premiere gab es dafür einen "Hohenheimer Regent Kabinett 2004", einen Rotwein, der durch seine Urtümlichkeit beeindruckt, kein Vergleich zu dem, was sonst so an Württembergern in den Ladenregalen steht.

Friedrich List, der große Sohn Reutlingens, Zollvereins-Protagonist, Ökonom und Eisenbahnpionier, ziert das Flaschenetikett der rosefarbigen Sommerhalde, um die Gerhard Henzler so lange gegen die Behörden-Windmühlen hatte kämpfen müssen. Einem Nein des Regierungspräsidiums folgte nach einem Jahrzehnt die Einsicht, Henzlers Vorhaben naturschutzrechtlich unter den Paragrafen "Erhalt der Weinbaukultur" zu stellen. Die Idee fand schnell Freunde, bekam auch prominenten Zuspruch. 2002 durfte Henzler endlich loslegen.

Neben Ex-Minister Hermann Schaufler gehören zu den Paten auch Prof. Willi Weiblen vom Wirtschaftsministerium, Gemeinderäte, Ex-Fahnenflaiger und Winzer Adolf Hecht sowie zahlreiche Privatleute aus der Region. Auch Richard Rauscher vom städtischen Weinberg, wo es 2005 immerhin 67 Oechslegrade gab, gesellte sich zu der Premierengesellschaft. Mit Gerhard Henzler ist er sich einig: "Der Wengert will seinen Wengerter jeden Tag sehen." Und in Sachen Pflege gelte: "Gehe nie in den Wengert ohne Schere und Bändel im Sack, um die Stöcke gut festzubinden", weiß Richard Rauscher.

   
 

   
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