Initiative Reutlinger Wein - Pressestimmen
   
  Schwäbisches Tagblatt :: 25.04.2006

Goldloch bei der Sommerhalde
Im Wein, so heißt es, liegt die Wahrheit. Aber, manchmal dauert es ganz schön lange bis die Wahrheit ans Licht kommt. Im Falle der Reutlinger Sommerhalde ganze 15 Jahre. Seit 1991 versucht der Reutlinger Gerhard Henzler beharrlich einen Traum zu verwirklichen: Auf seinem Grundstück am Schönen Weg mit dem Flurnamen "Sommerhalde" wie anno dazumal Wein anzubauen. Jahrelang kämpfte er gegen Bauverördnungen der Stadt, gegen das Regierungspräsidium und später das Stuttgarter Landwirtschaftsministerium, welche die Anpflanzungsrechte eng auslegten. Auch von den strengen Anbaurichtlinien der EU ließ sich der Hobby-Wengerter nicht abschrecken.
VON USCHI KURZ

REUTLINGEN 2001 war es dann endlich soweit: Nachdem die Weinbauverordnung geändert wurde, durfte Henzler die alte Tradition an seinem sonnigen Hang unter dem Scheibengipfel wieder aufleben lassen. Henzler fand kompetente Mitstreiter im Uni-Präsidenten und Hobbywinzer Eberhard Schaich, dem Rottenburger Profi Klaus Biesinger und dem Weinbau-Experten Dr. Nikolaus Merkt von der Universität Hohenheim, der zusagte, den einzigen privaten Reutlinger Wengert wissenschaftlich zu betreuen. Und weil Gerhard Henzler und seine Frau Gudrun das Unternehmen "Sommerhalde" nicht allein stemmen konnten, suchten und fanden sie Weinliebhaber, die als Paten Rebstöcke leasten und so das private Weingut in Schwung brachten.

2003 wurden 1067 Rebstöcke gepflanzt: Portugieser und Müller-Thurgau, aber auch Schwarzriesling, Spätburgunder und Chardonnay. Der erste Ertrag der jungen Reben fiel mit 180 Litern erwartungsgemäß recht gering aus, aber der Oechsle-Grad von 83, meinte Merkt kann sich sehen lassen. Bis in zwei, drei Jahren, schätzt der Experte, könnte der Weinberg 2 000 Liter abwerfen. Der 2005er-Jungfernwein wurde im Gewölbekeller von Karin Schärfe in der Reutlinger Krämerstraße zu einem Schwarzriesling ausgebaut und dort am Freitag vom stolzen Winzer-Ehepaar präsentiert: "Ein wirklich guter Tropfen", freute sich Gerhard Henzler, der seinen lang ersehnten Schillerwein gerne nach dem benachbarten Gewann "Goldloch" genannt hätte. Doch die Lage "Sommerhalde", die bekanntlich auch dem Städtischen Wein den Namen gibt, ist zwingend vorgeschrieben.

Weil der gute Tropfen noch so rar ist, wurde er in 0,5 Liter-Flaschen abgefüllt und bei der Übergabe an die Paten auch nicht ausgeschenkt. Dafür durften sie schon mal einen Blick auf das schöne Etikett werfen, das einen ganz anderen Pionier zeigt: Friedrich List. Unter den Gästen war auch Küfermeister Richard Rauscher, der den Städtischen Weinberg betreibt. Die private Konkurrenz stört ihn nicht, im Gegenteil: "Reutlingen verträgt das." Auch Adolf Hecht war gekommen, der bis 1993 die letzte Reutlinger Besenwirtschaft betrieb. Hecht, der einst seine Weinberge in Metzingen hatte, gab Anekdoten zum Besten. Und konnte ähnlich herbe Erfahrungen mit den Wein-Paragraphen wie Gastgeber Henzler vor weisen. Selbst als er nur noch für den privaten Gebrauch angebaut habe, berichtete Hecht, habe er alljährlich vor dem Weinbauverband in Weinsberg Rechenschaft ablegen müssen. Solange, bis er einmal geschrieben habe, er habe seinen Wein "wegen Ungenießbarkeit" weggeschüttet. Dieses Schicksal wird der Reutlinger Sommerhalde bestimmt erspart bleiben. Ob sie sich freilich zum Goldloch entwickelt, muss sich weisen.

   
 

   
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